Goldgräberstimmung am Kämpen
Portrait einer der namenlosen Kleinzechen in den 1950er Jahren nahe der Markenstraße
(Text und Bilder: Peter Hiltrop, März 2007)
Heinz Lungershausen, Jahrgang 1921, war in den 1950er Jahren Betreiber von Kleinzechen im Bereich Herbede und Sprockhövel. Als ehemaliger Elektriker bei der Bundesbahn machte sich Lungershausen selbständig und baute, basierend auf dem Fachwissen seines Vaters und Schwiegervaters, Magerkohle für den Hausbrand ab. Er erwarb nach und nach Schürfrechte für Flöze in zuvor festgelegten Bereichen, die er dann mit mehreren Mitarbeitern ausbeutete.
Bild 1: Das hölzerne Fördergerüst um 1953
Mitte der 1950er Jahre wurde Lungershausen dann nahe der Markenstraße aktiv. Die übertage befindliche Förderanlage wurde aus zuvor geschlagenen Nadelholzstämmen in einfacher Bauweise errichtet und der Schacht etwa 20m tief abgeteuft. Die bis zu zwölf bei Lungershausen in Lohn und Arbeit stehenden Bergleute waren mit modernen Presslufthämmern der Firma Hauhinco, Sprockhövel ausgerüstet, so dass die vom Chef vorgegebene Förderquote von 1,5 Tonnen pro Tag und Bergmann meistens erfüllt werden konnte. An seine ehemaligen Mitarbeiter, Helmut Richter und Adolf „Spezi“ Schlicker, erinnert Lungershausen sich als fleißige und gute Männer heute noch gerne.
Die Arbeitsbedingungen unterschieden sich von denen in den Tiefbauzechen und den Zechen nördlich der Ruhr. Aufgrund der geringen Abbautiefe war es Untertage recht feucht und kühl. Vorteil: es kam zu einer geringen Staubentwicklung, so dass die Staublunge (Silikose) bei den Arbeitern der Kleinzechen der Region nicht so sehr verbreitet war. Nachteil: beim Sitzen in den Pausen zog man sich, wie Lungershausen sich schmerzlich erinnert, schnell “Hämorrhoiden“ zu.
Die in der Region südlich der Ruhr anzutreffende Steinkohlesorte wird Magerkohle genannt (in Abgrenzung zur Fettkohle), welche sich insbesondere für den Hausbrand (d.h. zum Heizen von Wohnhäusern) eignet. Diese Kohle hatte beim Abbau den Vorteil, dass keine gefährlichen Gase entwichen und somit gesonderte Maßnahmen gegen Schlagwetter (Gasexplosionen) nicht erforderlich waren. Zur Beleuchtung konnten daher Karbidlampen genutzt werden.
Die Schürfrechte für den Kohleabbau bis zu einer Tiefe von 20m erwarb Lungershausen von der Zeche Gerwerkschaft Cleverbank. Nach nur ca. 2 Jahren war das Flöz Geitling in dem zugewiesenen Bereich leergeräumt, zumal sich herausstellte, dass die Zeche Cleverbank auch oberhalb von 20m das Flöz teilweise ausgeräumt hatte. Das Flöz Mausegatt lohnte von vorne herein nicht abgebaut zu werden, da es in diesem Bereich nicht einmal ein Fuß (0,314m) mächtig war.
Die Kohle fuhr Lungershausen zunächst mit seinem eigenen LKW ab, später bediente er sich der Fuhrunternehmer Emil Kroniger mit seinen Fahrern Willi „Bug“ Vette und Adolf Fichtel, die auch für die Zeche Cleverbank fuhren. In seiner „Kämpener Zeit“ nannte Lungershausen ein VW-Käfer-Cabriolet sein Eigen und konnte sich sogar eine 500er NSU Konsul II zulegen (bei der Erinnerung an dieses Motorad leuchteten seine Augen bei unserem Gespräch auf).
Als es dann zu einem Bruch untertage kam (das hangende Gestein lockerte sich und stürzte unkontrolliert in das abgebaute Flöz), entschied Lungershausen sich, das Flöz und den Förderschacht zu verfüllen. Die Verfüllung geschah mit Produktionsrückständen der in Herbede ansässigen Unternehmen Lohmann, Wengler und Dittmann & Neuhaus. An diese Füllmaterialien war seinerzeit preiswert heran zu kommen.
Anschließend wechselte Lungershausen mit seiner Truppe den Standort und errichtete nahe der Straße Rehnocken eine neue Förderanlage. Als auch dort nichts mehr zu holen war, zog er weiter zur Vormholzer Straße und dann nach Sprockhövel-Oberstüter, um dort sein Glück zu suchen (was jedoch seinen Erwartungen nicht entsprach und zu finanziellen Verlusten führte).
Lungershausen erhielt vom Bergamt die Genehmigungen für den Betrieb seiner Anlagen. Seine Kleinzechen wurden penibel geprüft, wobei er mit dem für seine Belange zuständigen Oberbergrat Köhling vom Bergamt immer gut zurecht kam.
Bild 2: Schachtanlage mit Grubenholz
Aufgrund der großen Nachfrage nach Hausbrandkohle im Zuge der mageren Jahre nach dem 2. Weltkrieg und des sich ankündigenden „Wirtschaftswunders“ lohnte sich der Abbau der von den Großzechen zunächst verschmähten Kohlevorkommen in solch kleinen Anlagen wie der von Lungershausen.
Entgegen der heute noch zu besichtigenden Schachtanlage der auch am Kämpen gelegenen Kleinzeche Egbert wurde die Schachtanlage an der Markenstraße, wie etliche andere Kleinzechen am Kämpen auch, unmittelbar nach Beendigung der Förderung zurückgebaut.
Bis heute setzt sich der Untergrund im Bereich des Förderschachtes immer wieder geringfügig und bildet eine kreisförmige Mulde aus, so dass weiterhin der Standort der Förderanlage eindeutig zu erkennen ist.
Bild 3: Ansicht der Kleinzeche mit Haspel- und Lagerschuppen
Nachwort:
Das Gespräch mit Heinz Lungershausen, auf dem dieser Artikel basiert, habe ich am 04.02.2007 geführt. Heinz Lungershausen verstarb am 22.03.2009 mit 88 Jahren. Die Bilder stammen aus dem Privatbesitz des Verfassers.